Impuls zum Monatsspruch September 2021
Ihr sät viel, doch ihr erntet wenig. Ihr esst, aber ihr werdet nicht satt. Ihr trinkt, doch ihr werdet nicht betrunken. Ihr habt etwas anzuziehen, aber keinem wird warm. Und wer sich etwas Geld verdient, verdient es für einen löchrigen Beutel. (Haggai 1,6)
Irgendwie lag ja im letzten Jahr auch eine Aufbruchstimmung in der Luft in der Gesellschaft und vielen Menschen für sich. Wenn wir schon so viel „heruntergefahren“ haben, was dann plötzlich alles möglich war. Mehr Zeit mit den Kindern, weniger Zeit im Auto, nicht im Ausland Urlaub machen, sondern etwas Neues in der Umgebung entdecken.
Die Aufbruchstimmung bezog sich ja vor allem auf das, was danach kommen sollte: Nach der Pandemie. Manche Menschen haben sich die Frage gestellt, was von dem Neuen sie auch mitnehmen wollen würden, wenn Altes wieder möglich war. Wie ist es Ihnen damit ergangen? Haben Sie sich auch an ein anderes Leben gewöhnt und wollen Teile davon beibehalten? Oder können Sie nicht abwarten, bis es wieder so sein kann, wie Sie es vorher so gernhatten?
Das Für und Wider zwischen Aufbruch und Wiederherstellung nach einer Krise hat auch das antike Volk Israel diskutiert. Um 500 vor unserer Zeitrechnung war das Volk endlich aus dem Exil in Babylonien zurück nach Jerusalem gekommen. In Jerusalem ging es manchen nicht schnell genug, den Tempel wieder zu errichten. Andere wiederum wollten erst einmal genauer überlegen, ob die Zurückkehrenden wieder so leben wollten. Es gab unterschiedliche Lager, die sich uneins waren, welche Art von geistlichem Leben, Gebet, Gottesdienst zur eigenen Zeit passte.
Das Buch des Propheten Haggai bezog hier ganz klar Stellung. Haggai schimpfte über die vermeintlich falschen Prioritäten seines Volkes. Dem Propheten ging der Tempelbau nicht schnell genug. Seiner Meinung nach kümmerten sich die Menschen in seiner Zeit zu sehr um den Aufbau ihres eigenen Lebens, zu wenig um das Gotteshaus:
Ihr sät viel, doch ihr erntet wenig. Ihr esst, aber ihr werdet nicht satt. Ihr trinkt, doch ihr werdet nicht betrunken. Ihr habt etwas anzuziehen, aber keinem wird warm. Und wer sich etwas Geld verdient, verdient es für einen löchrigen Beutel. (Haggai 1,6)
Er verstand es so: Den Israelitinnen und Israeliten ging es nicht gut, weil sie sich auf etwas anderes als den Tempelbau fokussierten. Andere, wie Teile im Buch des Propheten Jesaja, sahen das aber ganz anders. Die Menschen sollten sich lieber auf das Handeln als auf das Gotteshaus konzentrieren.
Ich wünsche uns allen, dass wir eine lebendige Diskussion darüber führen, wie wir zusammen leben wollen, gerade jetzt nach dieser Krisenerfahrung der letzten eineinhalb Jahre. Dass wir mit Argumenten, aber weniger scharf als der Prophet Haggai miteinander streiten können und uns am Ende für einen Weg entscheiden, den wir gemeinsam gehen können.
Ihre Pfarrerin Miriam Fleischhacker