An(ge)dacht zum Monatsspruch Mai
Liebe Leserinnen und Leser,
alles ist mir erlaubt: Herrlich! Ein Klang von Freiheit! Wir haben heute als einzelne so viel Freiheit wie die Menschen keiner Zeit zuvor. Ältere Frauen in der Gemeinde erzählen mir oft davon, wie vorgebahnt Lebenswege in ihrer Jugend waren. Sie hätten gern einen Beruf gelernt, aber das war damals für Mädchen nicht vorgesehen, weil sie „ja sowieso bald heiraten“.
Unsere Jugendlichen, die wir in diesen Tagen konfirmieren, starten ins Leben mit dem Gefühl: Mir steht die Welt offen, alles ist mir erlaubt!
Damit endet der Monatsspruch allerdings noch nicht, er geht weiter: …aber nicht alles dient zum Guten, …aber nichts soll Macht haben über mich. Auch das kennen unsere Konfis leider gut. In der grenzenlosen Freiheit des Internets erleben sie, wie sich das anfühlt, wenn etwas Macht über sie gewinnt.
Die Schulleiterin und niedersächsische Digitalbotschafterin Silke Müller gibt in ihrem Buch „Wir verlieren unsere Kinder“ erschütternde Einblicke, welche Abgründe von Verrohung und Gewalt Jugendliche tagtäglich auf Plattformen wie TikTok erleben. Auch über den Chat von Spielen werden sie in Gruppen gelockt, bauen dort Vertrauen zu Erwachsenen mit Fake-Identitäten auf, werden mit radikalem Gedankengut geflutet oder zu verstörenden sexuellen Handlungen getrieben. Da Eltern diese Welt der sozialen Medien oft nur flüchtig kennen, bewegen sich die Kinder dort völlig allein und unbegleitet. Niemand hilft ihnen, den kompetenten Umgang damit zu lernen, sich zu schützen.
„Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient dem Guten“. Paulus, der diese Worte schrieb, hatte damals einen vergleichsweise überschaubaren Bezugsrahmen vor Augen: die wimmelnde, große, bunte Hafenstadt Korinth mit ihren Bordellen und Kultstätten. Er erinnerte seine Glaubensgeschwister daran, dass sie durch Christus erlöst und frei sind. Sie müssen sich nicht fürchten vor Gott. Aber sie müssen auch nicht alles mitmachen, was andere zu brauchen meinen. Sie sind frei, also auch verantwortlich, das Böse zu meiden und das Gute zu wählen. So einfach ist das, so schön!
Von Herzen wünsche ich unseren Konfis diese Freiheit. Dass sie bei der Bilder- und Meinungsflut unserer Zeit lernen herauszufiltern, was für sie und andere gut ist. Dass sie in der vielschichtigen, analog-digitalen Wirklichkeit, in die sie hineinwachsen, zu Menschen werden, die selbst entscheiden – über sich, ihre Gedanken, ihren Körper. Und dass die Bindung an Gott ihnen dabei hilft.
Pfingstliche Freiheit wünscht Ihnen mit herzlichen Grüßen Ihre Pfarrerin Julia Fricke