Evangelische Kirchengemeinde denkt über Zusammenarbeit mit Alsbach und Hähnlein nach

Die Evangelische Kirchengemeinde Zwingenberg (M.) könnte sich vorstellen, das Evangelische Gemeindenetz Nördliche Bergstraße zu verlassen und mit Alsbach (l.) und Hähnlein (r.)einen der neuen Nachbarschaftsräume zu bilden, wie sie Rahmen des Reformprozesses „EKHN 2030“ vorgesehen sind. Bilder: Kirchengemeinde
Der Reformprozess „EKHN 2030“ und seine möglichen Auswirkungen auf die Evangelische Kirchengemeinde Zwingenberg standen im Mittelpunkt einer Gemeindeversammlung, die am Sonntag nach dem Gottesdienst in der Bergkirche veranstaltet wurde. Die Protestanten im ältesten Bergstraßenstädtchen sollen sich künftig einem sogenannten Nachbarschaftsraum zuordnen, also mit anderen Gemeinden sehr eng zusammenarbeiten.
Der Evangelischen Kirchengemeinde Zwingenberg ist dieser Gedanke nicht fremd, denn sie bildet bereits seit 2015 zusammen mit den Schwestern und Brüdern in Alsbach, Jugenheim und Ober-Beerbach das Evangelische Gemeindenetz Nördliche Bergstraße (EGNB). Wie Claudia Willbrand, Vorsitzende des Kirchenvorstands, anlässlich der Gemeindeversammlung erläuterte, könnte das bereits vorhandene Quartett bestehen bleiben, aber es gibt auch Alternativen.
Der vorhandene Nachbarschaftsraum könnte um die Gemeinden Hähnlein, Seeheim-Malchen und Bickenbach und damit auf insgesamt sieben Gemeinden erweitert werden. Oder es könnten auch zwei kleinere Nachbarschaftsräume entstehen – bei einem davon könnte es sich um das Trio Zwingenberg, Alsbach und Hähnlein handeln. Zurzeit werden in unterschiedlichen Runden von den Kirchenvorständen und Pfarrpersonen Gespräche darüber geführt, wie man künftig zusammenarbeiten will. Der Vorstand der Evangelischen Kirchengemeinde Zwingenberg hat im Rahmen einer Klausurtagung im Sommer für sich als „einvernehmliches“ Stimmungsbild festgelegt, dass man die Idee eines gemeinsamen Nachbarschaftsraumes mit Alsbach und Hähnlein verfolgen möchte. Damit ist allerdings noch keine wirkliche Festlegung getroffen worden, schließlich wollte der Kirchenvorstand das Thema – wie jetzt geschehen – auch mit den Kirchenmitgliedern bei der Gemeindeversammlung erörtern.
In verschiedenen Redebeiträgen wurde am Sonntag deutlich, dass die Idee eines Nachbarschaftsraumes Alsbach, Hähnlein und Zwingenberg auf positive Resonanz stößt. Dafür sprechen die räumliche Nähe, die Verbundenheit der politischen Kommunen sowie die guten Erfahrungen in der bisherigen Zusammenarbeit. Angeregt wurde aber auch, den Zwingenberger Stadtteil Rodau, der zur Evangelischen Kirchengemeinde Schwanheim gehört, in den neuen Nachbarschaftsraum einzubeziehen.
Kirchenvorstandsvorsitzende Claudia Willbrand stellte bei der Gemeindeversammlung klar, dass es – egal, wie der künftige Nachbarschaftsraum auch ausschaut – um mehr als die bisher im EGNB praktizierte Kooperation geht: „Der Gebäudebestand muss reduziert werden, die Pfarrstellen werden neu bemessen und auch die Gemeindebüros werden zusammengelegt.“ Die evangelischen Gemeinden stehen also – ähnlich wie die katholischen Pfarreien – vor einem tiefgreifenden Veränderungsprozess.
Er ist die Reaktion auf die Prognose der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), dass bis zum Jahr 2030 mit einem Mitgliederrückgang um rund 20 Prozent zu rechnen ist. Die Kirchensteuereinnahmen werden sich strukturell voraussichtlich um 140 Millionen Euro verringern. Die Anzahl der Pfarrstellen wird unter anderem aufgrund des Generationenwandels um etwa ein Drittel abnehmen, die Bauunterhaltungslast soll deutlich reduziert werden. Im Jahr 2030 werden mehr als drei Viertel der Kirchengemeinden der EKHN weniger als 1600 bis 1800 Mitglieder haben, die zurzeit durchschnittlich für eine ganze Pfarrstelle nötig sind. Die Verwaltungsarbeit hat zudem erheblich zugenommen.
Kirchliches Leben soll jedoch auch im Rahmen der neuen Ressourcenbedingungen weiterhin aktiv, kreativ, nachhaltig und vor allem gemeinsam gestaltet werden. Dazu soll die flächendeckende Bildung von Nachbarschaftsräumen dienen, schreibt die EKHN.
Die EKHN-weite Prognose deckt sich auch mit den Erfahrungen vor Ort – wie Claudia Willbrand bei der Gemeindeversammlung berichtete, ist die Mitgliederzahl in Zwingenberg binnen eines Jahres um fast 90 Personen gesunken (1. September 2021: 2219 / 1. September 2022: 2131). Noch ernüchternder ist der Langfristtrend: Vor gut drei Jahrzehnten zählte die Evangelische Kirchengemeinde Zwingenberg noch rund 3400 Mitglieder.