An(ge)dacht zum Monatsspruch Oktober
„Seid Täter des Worts und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst.“
Jakobusbrief 1,22
Von Pfarrer Christian Hilsberg
Liebe Leserinnen und Leser,
da liegt einer, blutend, sichtbar durch fremde Gewalteinwirkung verletzt, fast bewusstlos. Menschen kommen und gehen vorbei. Erst der Dritte, der vorbeikommt, hilft, verbindet Wunden, bringt den Verletzten ins nächste Dorf.
Das ist das Grundsetting der Geschichte vom barmherzigen Samariter. Viele kennen die Geschichte, die Jesus im Lukasevangelium erzählt (sie ist nachzulesen im Lukasevangelium 10,25-37). Der Samariter sieht, was zu tun ist, handelt und hilft. Der Monatsspruch für Oktober lässt mich an diese Geschichte denken. Der Satz klingt, als könne er am Ende der Geschichte vom barmherzigen Samariter stehen. Wenn ihr Gottes Wort gehört habt und wenn dann einmal eure Hilfe benötigt wird, ihr aber vorbeigeht, dann betrügt ihr euch selbst. Ein ganz schön hartes Urteil. Oder anders: Bestechend ehrlich.
Als Kirche bekommen wir häufig den Vorwurf – „die reden nur und handeln nicht danach!“ Das stimmt sicherlich in Teilen.
Wir sind zum Glück selten mit Schwerverletzten konfrontiert. Dann bleibt ja die Frage: Was stellt sich Jakobus eigentlich genau vor, wie man „Täter des Wortes“ werden soll?
Jakobus fordert im weiteren Briefverlauf auf – ins Heute übertragen – Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, beizustehen. Moment mal! Da tun wir doch als Kirche gar nicht so wenig. Wir haben großartige diakonische Einrichtungen. Lauter Einrichtungen, die Kirche der Tat leben.
Aus meiner Sicht ist das Traurige dabei: Zu häufig haben wir dieses Tun soweit professionalisiert und vor allem institutionalisiert, dass es in unseren Kirchengemeinden kaum noch im Alltag vorkommt. Vielleicht sollten wir als Kirche wieder stärker Kontakt zu unseren Diakonischen Einrichtungen suchen und uns dort auch einbringen.
Aber nur lauter zu sagen: „da tun doch welche schon ganz viel!“, ist mir auch zu wenig. Mich reizt der Monatsspruch dazu an, nach dem Besuch eines Gottesdienstes oder der Beschäftigung mit dem Predigttext, mich beim Heimweg häufiger zu fragen: Wo könnte ich nach dem Hören auf das Wort Gottes nun ganz privat „Täter des Wortes“ werden?
Ich habe Lust auf Kirchengemeinden und auf Christentum, das Täter des Wortes ist.
Einen schönen Oktober wünscht Ihnen,
Ihr Pfarrer Christan Hilsberg
- Christian Hilsberg ist Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Zwingenberg und im Evangelischen Gemeindenetz Nördliche Bergstraße.